3. Die Storkenhalde
Bei der „Storkenhalde“ handelt es sich um eine ältere Namensbildung, denn im Kartenmaterial von 1847 ist die Bezeichnung bereits enthalten. Sie dürfte sich vom Schwäbischen stork = Storch ableiten.1 W. Keinath nennt z.B. Storkbrunnen als einen in Württemberg gleichfalls anzutreffenden Flurnamen.2 Von der Pfullinger Ortsmarkung kennt man die Storkenwies.3 Die Bezeichnung Storkenhalde kommt gleich zweimal auf unserer Ortsmarkung vor: Sie findet sich in der Karte für den Bergvorsprung am Ausgang des „Tiefentals“ und ebenso als Gewannname im Steilhang des westlichen „Stöckbergs“. Mit einiger Sicherheit darf daher angenommen werden, dass früher Störche oberhalb der heutigen Bundesstraße B 313 ihre Horste hatten. Diese Lage wäre zudem als äußerst günstig einzustufen, gab es doch nahe der Seckachquellen bestimmt reichliche Amphibien-Mahlzeiten, um die Jungvögel durchzubringen.
Im Westen des „Stöckbergs“ zeigt sich das Gewann „Storkenhalde“ steil abfallend, während die Anhöhe östlich deutlich flacher ansteigt und nur im Südteil wieder schroffer hervortritt. Hier ist die Westflanke durch den Bau der B 313 aufgerissen und das Gestein liegt bloß. Der „Stöckberg“ ist durchgängig bewaldet.
Im Herbst 2023 fand durch die Trochtelfinger Jugendfeuerwehr im Gewann „Storkenhalde“ eine Aufforstungs-Aktion statt, um eine von Stürmen, Trockenheit und Borkenkäferbefall entwaldete Fläche wieder zu bepflanzen. Wie der Reutlinger Generalanzeiger berichtete, wurden von 25 Jugendlichen unter fachkundiger Anleitung durch die zuständigen Förster und deren Mitarbeiter 1300 Stieleichen und 200 Hainbuchen gesetzt. Diese Baumarten vertragen die zunehmende Trockenheit wesentlich besser als die bisher dominierenden Bestände.
Einen Zugang für den Weg durchs Haldenzentrum findet der Wanderer über das „Tiefental“ und einen an der Waldecke nördlich führenden Forstweg. Dieser verläuft bald nahezu eben in der oberen Westflanke. Was ihm fehlt, sind die Aussichtspunkte, doch man fühlt sich weitgehend weltabgeschieden, wenn man länger auf ihm dahinschreitet. Dem Verfasser begegnete dort ein Reh im rotbraunen Sommerfell, welches, gleichfalls überrascht, vom Wegrand hochschreckte und mit weitem Sprunge hangwärts ins Unterholz flüchtete. Dann wieder nur Stille, selbst der Straßenlärm von der nahen B 313 - von den Wäldern verschluckt. Nach einer Rechtskurve senkt sich der Weg stärker ab und man erreicht den Wanderparkplatz.
4. Die Ittenhalde
Vom Dorf Ittenhausen im Landkreis Biberach ist bekannt, dass sich der Ortsname von dem Personennamen Ito ableitet.5 Eine ähnliche Namensbildung darf man demnach auch für die Steinhilbener „Ittenhalde“ voraussetzen, wurden früher Besitzverhältnisse doch öfter durch die Verbindung mit dem Personennamen dokumentiert. So dürfte „Ittenhalde“ auch auf einen Mann namens Ito zurückzuführen sein, dem diese Flur vielleicht gehörte. In der Steinhilbener Ortschronik von 1997 wird allerdings noch eine andere Herleitung des Flurnamens erwähnt:6 So soll „Ittenhalde“ aus „Hirtenhalde“ entstanden sein.
Die „Ittenhalde“ erhebt sich von Süden und Westen her nur wenig über ihre Umgebung. Abschüssiges Gelände findet man nur im Osten zum Ort hin und besonders nördlich, wo sie steil zum „Tiefental“ hin abfällt.
An einem trüben Dezembertag steige ich von Nordwesten zur Gipfelfläche empor. Es ist ein schöner Waldweg, der mich dort hinauf führt durch kahlen Buchenforst, in den sehr vereinzelt hohe Altfichten eingesprengt sind. Auf dem Gipfelplateau das helle Grün der Nieswurz, einem Verwandten der Christrose. An diesem dunklen Tag freut man sich, überhaupt Farben anzutreffen. Verloren ruft eine Krähe, als ich an der Wegeverzweigung nach Süden hinabbiege.
In leichter Hanglage, sich gegen das Steinhilbener Neubaugebiet erstreckend, eine alte Streuobstwiese, am südlichen Waldaustritt dann eine besonders ausgedehnte Streuobstwiese.

Ich beschließe, die Blütenpracht im Mai einmal auf mich wirken zu lassen. Inzwischen halte ich mich bis zu einem halb fertigen Wegkreuz immer dicht am Waldrand. Da hat sich Steinmetz Stefan Ott doch eine große Aufgabe gestellt, indem er Zerfallendes vor der Auflösung bewahrt. Das war mir neu, dass es in Steinhilben so Jemanden gibt. Quer über die Wiese erreiche ich den abgestellten Pkw.
Am heutigen Dreierkreuzweg, dem einstigen Totenweg, welcher südlich der
„Ittenhalde“ in Richtung Trochtelfingen führt, stehen 3 Kreuze und 1 Bildstock. Erstere wurden 1911 von Johann Zeiler aufgestellt, die Teilnehmergemeinschaft ließ sie 2003 im Zuge der Flurbereinigung restaurieren. Der Kriegsveteran Johann Zeiler wollte sicher durch die Aufstellung seine Dankbarkeit darüber bezeugen, dass er aus den Kriegen 1866 und 1870/71 gesund heimgekehrt war. So findet sich auf dem Sockel die Inschrift: „Gestiftet im Jahre 1911 von Johann Zeiler Veteran von 1866 und 1870/71.“7 Das Alter des Bildstocks schätzt man hingegen auf über 250 Jahre, Glasermeister Erhard Wahl veranlasste seine Renovierung.8
5. Die Schillingshalde
Gleichfalls auf Steinhilbener Gemarkung liegt die Schillingshalde. Den Familiennamen Schilling gab es früher in Steinhilben.9 Weil man öfter unter den Flurnamen Zusammensetzungen mit Personennamen antrifft, welche dann auf Besitzverhältnisse hinweisen, kann man vermuten, dass hier ein ähnlicher Fall vorliegt. Abschüssig ist das Gelände nur im nördlichen Teil, wo es gegen das Tal um 50 m steiler abfällt. Insofern verdient der Berg die Bezeichnung „Halde“ doch zu Recht.

An der Nordspitze des „Schneebergs“ nehme ich den Feldweg, welcher zwischen „Hagenberg“ und „Schillingshalde“ westwärts führt. Die blauen Farben des Boretsch, der Wegwarte und Kornblumen kennzeichnen eine Blühwiese aufs Trefflichste. Das Begehen des erwähnten Weges erfordert keine besonderen Anstrengungen und überrascht stehe ich bald am Zaun eines Damwildgeheges, dessen Bewohner sich heute im Schatten des Waldrandes gelagert haben und nur neugierig die Köpfe emporrecken. Anders hingegen zwei Geweihträger, männliche Hirsche, welche im Zaunwinkel zu dösen scheinen.

Weiter hinein in mittägliche Stille. Ich lasse das Gehege hinter mir, folge dem schattigen Weg hinaus auf die Felder, wo der Thymian üppig wächst und zahlreiche Augenfalter die blühenden Disteln umgaukeln. Ich zerreibe einige Thymianblüten zwischen den Fingerspitzen, atme den intensiven Duft der ätherischen Öle ein. Jetzt wäre die richtige Sammelzeit, um für den Winter ein Mittelchen gegen infektiöse Erkrankungen zu gewinnen. Bei Husten, Blähungen, Durchfall sollen Blüten und Blätter gleichermaßen helfen. So steht es im Heilpflanzenbüchlein, welches die wichtigsten Kräutlein aus Gottes reicher Naturapotheke beschreibt.
Eine Bank, versteckt im Waldrand, sodass ich sie fast übersehen hätte. Sie lädt ein zu willkommener Rast, derweil der Forst kräftiger im anschwellenden Wind zu rauschen beginnt,
jedoch bald wieder sanfter sein ewiges Lied singt. Der Weg führt nun rasch ins Freie hinaus auf gemähte Wiesen, an einem dunkelreifen Haferfeld vorüber zum sanften Höhenrücken, wo der Blick sich weitet.
Ich kehre um, stehe bald wieder am Wildgehege und treffe dort die beiden Geweihträger noch immer in friedlicher Zweisamkeit dösend an.
Jetzt aber kommen sie gemächlich auf die Beine, traben zum Rudel hinüber und gesellen sich im Waldschatten zum rastenden Fußvolk. Da will ich nicht länger stören, schreite kräftiger aus und gelange wenig später zum Ausgangspunkt.

erAnmerkungen
1 Walther Keinath, Orts- und Flurnamen in Württemberg, 1951, Seite 83
2 ebenda
3 Oliver Meiser, Flurnamen, Gewann- und Örtlichkeitsbezeichnungen in Stadt und Markung Pfullingen, 2021, Seite 90 u. 140
4a Informationen zu den Seckachquellen von Bernhard Klingenstein
4b siehe Reutlinger Generalanzeiger vom 02.11.2023, Seite 14 „1500 Bäume gepflanzt“
5 Der Landkreis Biberach, Band II, 1990, Seite 246
6 Ortschronik 750 Jahre Steinhilben. 1247-1997, Seite 42
7 Für die Informationen zu den Feldkreuzen und dem Bildstock bedanken wir uns bei Herrn Ortsvorsteher Alwin Ott sehr herzlich.
8 Die Informationen entnahmen wir der Steinhilbener Ortschronik und den Aufzeichnungen des Ortsvorstehers Alwin Ott.
9 Die Informationen zur Familie Schilling in Steinhilben stammen aus einem Gespräch mit Herrn Hans Zeiler, „Zeiler GmbH Sanitär Flaschnerei“.